Anfrage Teilweise Abkopplung Frankreichs vom deutschen Strom-Großhandel
Auswirkungen des Iran-Israel-Konflikts und der Ausweitung des Russland-Ukraine-Kriegs auf den Preis für Gas und Strom
In Frankreich sind Forderungen laut geworden, sich im Strom-Großhandel von Deutschland abzukoppeln, wodurch die Großhandelspreise in Frankreich auf die Hälfte der in Deutschland gültigen reduziert werden sollen. Natürlich hätte das einen deutlichen Anstieg der deutschen Strompreise zu folge, insbesondere bei Flaute, bedecktem Himmel und/oder niedrigstehender Sonne im Herbst/Winter.
Aktuell haben der schwelende Iran-Israel-Konflikt und die Ausweitung des Krieges Russlands gegen die Ukraine auf die Gegend um Kursk erneut zu einem deutlichen Anstieg der Erdgaspreise geführt, was wiederum auch den europäischen Großhandels-Strompreis nach oben treiben dürfte Welt.de-Artikel von Daniel Wetzel vom 12.08.2024 Paywall).
Bei den kürzlich in Frankreich stattgefundenen Parlamentswahlen haben die Linken, aber auch die Rechten stark zugelegt, sodass die neue Regierung deren Positionen künftig berücksichtigen muss. Beide haben im Wahlkampf Maßnahmen zur Eingrenzung des Anstiegs der französischen Strompreise gefordert. So forderte Eric Ciotti, Chef der konservativen Les Républicains (LR), Frankreich müsse aus dem europäischen Energiemarkt aussteigen. Rassemblement National (RN)-Spitzenkandidat Jordan Bardella rief das Ziel aus, sich von den europäischen Strompreisregularien zu lösen, um einen „französischen Strompreis“ zu erhalten (www.zfk.de/politik/international/frankreich-rechte-eu-energiemarkt-rassemblement-national).
Auch die Linken haben Maßnahmen zur Reduzierung der französischen Strompreise versprochen, die vermutlich ebenfalls höhere deutsche Strompreise zur Folge haben.
Hintergrund sind Strom-Preiserhöhungen in Frankreich: Die Preise wurden im Februar 2023 um 15 Prozent angehoben, im August 2023 um weitere zehn Prozent und im Februar 2024 noch einmal um zehn Prozent. Im Februar 2025 wird dann noch die „Steuer auf den Endstromverbrauch“ (TICFE) erhöht (www.klimareporter.de/strom/strompreis-schock-in-frankreich).
Wir haben daher die Verwaltung um Auskunft gebeten:
- Welche Auswirkungen hätte die teilweise oder völlige Abkopplung Frankreichs vom deutschen Strom-Großhandel auf die Großhandels- und Verbraucherpreise für die Stadtwerke Karlsruhe, insbesondere in Anbetracht unserer Abhängigkeit vom französischen KKW-Strom?
- Welche Auswirkungen auf den Großhandelspreis für Erdgas und Strom erwarten die Stadtwerke infolge des aktuellen Iran-Israel-Konflikts und der aktuellen Ausweitung des Krieges in der Ukraine auf die Gegend um Kursk?
- Inwiefern planen die Stadtwerke, auf diese Veränderungen zu reagieren, um die Energieversorgung und Preisstabilität für die Verbraucher zu gewährleisten?
- Welche kurzfristigen und langfristigen Strategien sind vorgesehen, um die Abhängigkeit von externen Stromlieferungen zu minimieren und die Preisentwicklung zu stabilisieren?
Die Beantwortung wird Ende Oktober erfolgen.
Stellungnahme der Stadt 24.10.24:
Allgemeine Anmerkung:
Veränderungen an den Energiemärkten lassen sich in den seltensten Fällen unikausal mit einem konkreten Ereignis in Relation setzen. Vielmehr basieren diese Veränderungen überwiegend auf einer Vielzahl an Parametern, die sich gegenseitig verstärken oder gegenläufige Wirkungen haben. Ebenfalls spielen an den Energiemärkten neben fundamentalen Veränderungen, wie z.B. dem Wegfall von Erzeugungskapazitäten oder konjunkturelle Veränderungen häufig auch spekulative Elemente eine Rolle.
1. Welche Auswirkungen hätte die teilweise oder völlige Abkopplung Frankreichs vom deutschen Strom-Großhandel auf die Großhandels- und Verbraucherpreise für die Stadtwerke Karlsruhe, insbesondere in Anbetracht unserer Abhängigkeit vom französischen KKW-Strom?
In Deutschland lag der Bruttostromverbrauch im Jahr 2023 bei rund 525 TWh. In diesem Zeitraum wurden 13,0 TWh aus Frankreich importiert und 3,7 TWh nach Frankreich exportiert. Für das Jahr 2024 ergeben sich bis zum Stichtag 18.09.2024 Importe in Höhe von 13,3 TWh und Exporte von 0,4 TWh.
Dabei beziehen sich die angegebenen Werte jeweils auf die grenzüberschreitenden physikalischen Stromflüsse. Eine teilweise oder völlige Abkopplung Frankreichs vom europäischen Strommarkt hätte kurzfristig den Anstieg der deutschen Großhandelspreise für Strom zur Folge. Da jedoch auch Frankreich trotz des aktuellen Exportüberschusses auf den ständigen Austausch von Strom mit seinen Nachbarländern angewiesen ist, ist davon auszugehen, dass die skizzierte Maßnahme auch in Frankreich zu negativen energie- und volkswirtschaftlichen Effekten führen würde. Daher wird das skizzierte Szenario seitens der Stadtwerke Karlsruhe momentan als tendenziell unwahrscheinlich eingeschätzt.
Bezogen auf die Stadtwerke Karlsruhe hat eine Trennung Frankreichs vom europäischen Verteilnetz die gleichen Folgen wie für alle anderen Stromversorger in Deutschland, da die Stadtwerke Karlsruhe keine bilateralen Lieferverträge mit französische Atomstromproduzenten haben. Gleiches gilt für den Export nach Frankreich, die Stadtwerke Karlsruhe treten hier nicht als Stromproduzent mit Lieferverträgen nach Frankreich auf.
2. Welche Auswirkungen auf den Großhandelspreis für Erdgas und Strom erwarten die Stadtwerke infolge des aktuellen Iran-Israel-Konflikts und der aktuellen Ausweitung des Krieges in der Ukraine auf die Gegend um Kursk?
Auf Basis der Erfahrungswerte der Stadtwerke Karlsruhe mit dem Marktverhalten in vergleichbaren Konfliktsituationen ist davon auszugehen, dass eine Ausweitung des Nahost-Konflikts und/oder des Krieges in der Ukraine mit tendenziell steigenden Großhandelspreisen an den Strom- und Gasmärkten einhergehen. Diese basieren auf den Risikosaufschlägen, die in unsicheren Zeiten in die Energiepreise eingepreist werden.
Diesen preistreibenden Effekten stehen aktuell jedoch preisdämpfende Faktoren wie bspw. ein hoher Füllstand der deutschen Gasspeicher (ca. 94 %), eine stabile LNG-Versorgung und eine hohe Erneuerbaren-Einspeisung gegenüber.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Preisbewegungen, die momentan an den Energiebörsen zu beobachten sind, in keinem Verhältnis zu den Preissprüngen stehen, die im Zuge des Beginns des Kriegs in der Ukraine zu beobachten waren.
3. Inwiefern planen die Stadtwerke, auf diese Veränderungen zu reagieren, um die Energieversorgung und Preisstabilität für die Verbraucher zu gewährleisten?
Die Stadtwerke Karlsruhe überwachen permanent das aktuelle Marktgeschehen, um flexibel auf aktuelle Ereignisse reagieren zu können. Seit vielen Jahren ist ein Risikokomitee etabliert, um kurzfristig auf signifikante Bewegungen an den Energiemärkten reagieren zu können.
Die Beschaffungsstrategie der Stadtwerke Karlsruhe basiert für den Strom- und Gasbedarf ihrer Tarifkunden sowohl auf langfristigen als auch auf mittel- und kurzfristigen Elementen. Gleichzeitig erfolgt die Beschaffung möglichst diversifiziert über verschiedene Handelspartner und -plattformen, um Klumpenrisiken aufgrund potenzieller Ausfälle von Großhandelspartner zu minimieren.
Neben einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der Beschaffungsstrategie investieren die Stadtwerke Karlsruhe in den letzten Jahren verstärkt in den Ausbau der erneuerbaren Energien, um die Sparte Erzeugung zu stärken und das Ergebnis der Stadtwerke robuster gegenüber Energiepreisschwankungen auszugestalten.
4. Welche kurzfristigen und langfristigen Strategien sind vorgesehen, um die Abhängigkeit von externen Stromlieferungen zu minimieren und die Preisentwicklung zu stabilisieren?
Durch die unter 3. aufgeführten Investitionen in Windkraft- oder PV-Anlagen tragen die Stadtwerke nicht nur ihren Teil zur Erreichung der deutschen Klimaziele bei, sondern können auf Basis eigener Erzeugungskapazitäten auch Produkte wie Power Purchase Agreements anbieten, die die Großkunden der SWK unabhängiger von volatilen Großhandelspreisen machen und hierdurch preisstabilisierend wirken.